991 Das Farbenspiel der Marmolada
Die Quitte ist eine bemerkenswerte Frucht. Schwer, knollig, pelzig und goldgelb hängt sie im Herbst in den Bäumen, duftet säuerlich und wird im Oktober reif. Äpfel und Birnen stehlen ihr zwar unter den KonsumentInnen die Show, aber das erträgt sie mit Gelassenheit. Denn sie ist ja was Besonderes: eine Künstlerin der Farbe, des Geruchs und des Geschmacks. Roh ist sie ungeniessbar, aber richtig zubereitet wird sie zur Königin des Genusses.
Die Quitte ist auch eine wichtige Akteurin bei der Vorbereitung meiner Weihnachtsgeschenke. Aus ihnen bereite ich Gelee und den traditionsreichen Quittenkäse nach dem Rezept meiner Grossmutter. Also habe ich auch dieses Jahr einen ganzen Korb voller Quitten vom Bauern mitgebracht, mindestens 4 Kilogramm müssten es sein. Riesig sind die Früchte in diesem Jahr geworden, leicht grau gepunktet sind sie.
Die Reinigung und Vorbereitung der Früchte ist ein besonderer Vorgang. Denn so etwas wie ein dichter Pelz legt sich während des Wachsens um die goldgelbe Frucht, welchen sie erst während der Reife zu verlieren beginnt. Reste davon müssen zunächst vor dem Waschen mit den Fingern abgerubbelt werden: sonst wird das Produkt bitter. Beim Schneiden empfiehlt sich ein stabiles Messer und besondere Vorsicht; denn hart sind die Dinger, sie kommen in ihrer Widerspenstigkeit den Kürbissen um nichts nach. Widerstand setzen beim Schneiden nicht nur Haut und Fruchtfleisch entgegen, sondern insbesondere der dicht verholzte Kern. Doch keine Sorge wegen zähem Gefummel und Verletzungsgefahr: Quitten werden bei der Zubereitung von Gelee, Marmelade und “Käse” in Wasser weichgekocht und das mit Schale und Kern: das macht die gekochte Masse geschmackvoller.
Das Fruchtfleisch der prachtvollen Früchtchen sind beim Aufschneiden manchmal von braunen Flecken durchzogen, der sogenannte “Fleischbräune”. Das deutet zwar auf schwierige Wachstumsbedingungen hin, ist aber beim Kochen nicht weiter schlimm. Wir verwenden auch dieses unansehnliche Fruchtfleisch, wobei wir jedoch prüfen, ob es sich tatsächlich nur um eine Braunfärbung handelt oder die Quitte schon faulig ist.
Überhaupt: Angeschnittene Quitten bauen beim Kontakt mit der Luft schnell Pektin ab, das heisst sie färben sich braun und werden unansehnlich, aber nur um, wie ein Wunder, sich beim etwa 45 minütigen Kochen mit Zitronensaft wieder aufzuhellen. Doch damit ist des Farbenspiels kein Ende. Beim langsamen Garen nämlich tritt ein enzymatischer Prozess ein, der die Früchte von orange bis rot und purpurfarben werden lässt. Das fertige Produkt ist also in den meisten Fällen Rot.
Der gute alte “Quittenkäs” ist ein, zwei Generationen lange in Vergessenheit geraten: sein Rezept hat sich aber von meiner Grossmutter zu mir über die Abgründe der industriellen Fertigung von Lebensmitteln retten können. Wie gut, denn die “marmolada” (portugiesisch: Quitte) ist die Urform der heutigen Marmeladen, entsprechende Rezepte sind seit römischer Zeit bekannt.
Die gallertige Masse, die mit Zucker und/oder Honig langsam eingekocht wurde (ähnlich dem Powidl) wird zunächts im Dörrgerät und dann über mehrere Wochen an der Luft getrocknet. In Kristallzucker gewälzt, isst man sie gerne zu Käse – und daher kommt wohl auch der Name “Quittenkäs”.